Die heutige Ahnatalstraße hieß einst Wolfhager Landstraße. Sie beginnt beim Haroldplatz an der Wolfhager Straße, kreuzt die Harleshäuser Straße und führt dann bergauf über die Rasenallee hinaus bis zum Waldrand. Ab dem Parkplatz Bergfreiheit heißt sie alte Wolfhager Straße und verläuft als geschotterter Weg Richtung Westen durch den Habichtswald. Sie liegt nördlich des Blauen Sees und südlich des Erlenlochs und endet beim ehemaligen Gasthaus Ahnetal an der „neuen“ Wolfhager Straße.
Die alte Landstraße nach Wolfhagen und Waldeck wurde bereits im späten Mittelalter in einem Dokument erwähnt. Dort heißt es, dass der Harleshäuser Grebe Hermann Homberg hier 1640 als Wegekommissar zuständig war. Im Kurfürstentum Hessen wurde sie 1831 als Straße dritter Klasse eingeordnet und Waldecksche Straße genannt. Sie ging damals an Harleshausen vorbei, ohne das Dorf zu berühren.
Als sich hier noch der ganze Fuhrwerksverkehr nach Wolfhagen und Waldeck abspielte, leisteten die Harleshäuser Bauern im Winter an den steilen Stellen bergauf oft Vorspanndienst. Das ist ein gesetzlich gebotenes oder erzwungenes stellen von Zugtiergespannen. Die erste Anhöhe bis zur Rasenallee hieß „An den Aspen“ (Aspe=Espe=Zitterpappel). Davon hat die jetzige Aspenstraße auch ihren Namen.
Ab 1870 wurde die Landstraße auf die jetzige Trasse der Wolfhager Straße verlegt, weil es dort weniger Steigungen gab. Als Bundesstraße (B 251) führt sie heutzutage durch die Ortslage von Harleshausen über den „Roten Pfahl“ bei der Kreuzung Rasenallee am Nordhang des Habichtswaldes entlang zum ehemaligen „Gasthaus Ahnetal“, wo das Kasseler Stadtgebiet aufhört und auch die „alte Wolfhager“ endet. Nach der Kommunalisierung im Jahr 1870 erhielt die alte, nun kaum mehr genutzte Landstraße zunächst in ganzer Länge den Namen „Alte Wolfhager Straße“, später „Elfbuchenstraße“ und unter der Nazi-Herrschaft neben mehreren Teil-Namen unter anderem auch „Königin-Elena-Straße“.
In den 1870er Jahren kaufte der Pflastermeister Strohmeyer einige Waldwiesen oberhalb der alten Wolfhager Straße beim heutigen Blauen See und betrieb dort einen Basaltsteinbruch. Von dort stammen auch die Steine, die für den ersten Straßenbau in Harleshausen und den Nachbargemeinden benutzt wurden. Während in dem nicht weit davon entfernten Steinbruch Erlenloch und im Bühl bei Weimar der Basalt in fünfkantigen Säulen vorkam, fand man in dem Strohmeyerschen Bruch besonders wertvollen Plattenbasalt, der sich nicht nur zur Herstellung von Pflastersteinen und Kleinschlag, sondern auch für Randsteine eignete. Strohmeyer betrieb den Bruch mehrere Jahrzehnte lang erfolgreich, bis starker Wasserzufluß die Arbeiten erschwerte und die Materialabfuhr schwierig wurde, weil die alte Wolfhager Straße nicht mehr als Landstraße in Stand gehalten wurde. Daraufhin stellte er den Betrieb ein und verkaufte das Grundstück.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der große Besitz von Justizrat Friehs unterhalb der Rasenallee für den Bau der „Gartenstadt Harleshausen“ in einzelne Grundstücke aufgeteilt. Für die Erschließung dieser neuen Siedlung musste die alte Wolfhager Straße, die zu diesem Zeitpunkt schon seit 30 Jahren kaum mehr benutzt wurde, als Zugangsstraße neu zurecht gemacht und mit Kanal- und Wasserleitung versehen werden. Dazu gab Friehs der Gemeinde ein unverzinsliches Darlehen von 25000 Mark, das ihm später aus den dafür eingehenden Anliegerbeiträgen zurückgezahlt wurde. Im Jahre 1910 wurden dann die ersten Häuser der Siedlung Gartenstadt erbaut.
Als der Ausbau der Straßen in der Gartenstadt begann, pachtete ein Unternehmer namens John den von der Baustelle nicht weit entfernt liegenden Strohmeyerschen Steinbruch und setzte ihn wieder in Betrieb. Später kaufte er das Gelände. Nach seinem frühen Tode wurde der Betrieb wieder eingestellt und das Grundstück ging in andere Hände über.
Quellen: Regiowiki, Wikipedia und „Geschichtliches von Harleshausen“
Aus Wilhelm Führers Aufzeichnungen von 1941
Die Wolfhager Landstraße
An einem schönen Sommerferientage des Jahres 1876 ging ich als dreizehnjähriger Knabe mit meinem Vater durch den Wald zum Ahnatal hinaus. Wir wollten uns dort einmal die Bauarbeiten der neuen Wolfhager Landstraße ansehen, die damals gerade im Ahnatal im vollen Gange waren. Viele Arbeiter waren hier am Werke, Schienengeleise waren gelegt, auf denen lange Reihen von Kippwagen, die mit Erdboden beladen waren, von einer kleinen Lokomotive fortbewegt wurden. Man konnte schon sehen, wie die neue Straße jenseits der Ahna von der alten Straße in nördlicher Richtung abzweigte, um den steilen Berg zwischen dem Ahnatal und dem Windfang in einer mächtigen Schleife zu überwinden. Auf der Wiese, die sich südlich der alten Straße an der Ostseite des Ahnatales hinzieht, war eine große Bretterbude aufgeschlagen, in welcher die Arbeiter ihre Mahlzeiten einnahmen und ein Gastwirt aus Weimar die Kantine hatte.
Als wir dann auf der alten Wolfhager Straße zurückgingen und oberhalb der Rasenallee aus dem Walde kamen, bot sich unseren Augen ein herrlicher Ausblick. Durch das schöne von der Abendsonne beleuchtete Tal, das zu unseren Füßen ausgebreitet war, zog sich die mit Vogelbeerbäumen (Ebereschen) bepflanzte Landstraße, am Dörfchen Harleshausen vorbei, den Berg herauf, und es herrschte heute, wie an jedem Kasseler Markttage, auf der Straße reger Fuhrwerks- und Fußgängerverkehr.
Unten im Tal ertönte Hörnerklang, die Post kam. Wir sahen dann auch da, wo jetzt die Gartenstadt angebaut ist, die große gelbe Postkutsche mit dem Dreigespann davor heranfahren und dahinter folgte, mit zwei Pferden bespannt, eine sogenannte „Bamchaise„. Beide Fahrzeuge waren mit Fahrgästen besetzt und der Postillon blies das allbekannt Lied: „Schier dreißig Jahre bist du alt“. Eine schöne Erinnerung an die Romantik der Postkutschenzeit!
Wenn man aber die gewaltigen Steigungen bedenkt, welche die alte Wolfhager Straße oberhalb und unterhalb der Rasenallee, zu beiden Seiten des Ahnetales und am sogenannten Bosenberge bei Burghasungen aufzuweisen hatte, kann man es nur als ein gutes Werk bezeichnen, das die damals durchgeführte Neuanlage der Straße alle die genannten Berge in geschickter Weise umgangen hat, so daß die neue Landstraße gut zu befahren ist und auch für den heutigen Autoverkehr als eine schöne, abwechslungsreiche Straße empfohlen werden kann.
Die Berliner Mission der Kirchditmolder
Für die Neubaustrecke Kassel-Harleshausen war der ursprüngliche Plan ganz anders, als die Ausführung geworden ist. Die neue Straße sollte nämlich nicht, wie die alte von Holländischen Tore, also vom Norden der Stadt, ausgehen, sondern von dem damals im Aufblühen begriffenen Westen, also vom Ende der Hohenzollernstraße aus ihren Anfang nehmen. Um denn auch den Bergrücken zu umgehen, auf welchem Kirchditmold aufgebaut ist, war die Straßenkreuzung durch die Senkung zwischen Kirchditmold und dem Tannenwäldchen hindurch geraden Weges nach Harleshausen zu geplant. Dieser Plan mag nun wohl nur wenigen Leuten bekannt geworden sein, aber ein Schlaukopf, der zufällig die Bauzeichnungen gesehen hatte, kaufte sich unterhalb von Kirchditmold an der geplanten Straßenlinie ein Grundstück und erbaute darauf eine Gastwirtschaft, später das Gasthaus „Zum kühlen Grunde“ genannt.
Hierdurch wurden nun die Kirchditmolder darauf aufmerksam, das man ihren Ort beim Straßenbau Kassel-Harleshausen links liegen lassen wollte, besonders aber glaubte der Inhaber einer vielbesuchten Kirchditmolder Gastwirtschaft, das die geplante Straßenführung seiner Wirtschaft großen Schaden zufügen könne, weil die Leute aus dem ganzen Hinterlande von Harleshausen bis Wolfhagen und selbst aus dem Waldecker Lande bei ihren Fahrten und Wanderungen nach und von dem Kasseler Westen gern bei ihm einkehrten. Er besprach sich mit dem ihm befreundeten Kirchditmolder Bürgermeister und die Beiden beschlossen kurzer Hand, zusammen nach Berlin zu fahren und beim Ministerium gegen die geplante Straßenführung Einspruch zu erheben. Dies Vorhaben wurde dann auch bald ausgeführt und hatte einen durchschlagenden Erfolg.
Die alte Wolfhager Straße blieb auf der Strecke Kassel- Harleshausen unverändert bestehen und der Weg von Kirchditmold nach Kassel wurde auf Antrag der beiden Berlinfahrer dadurch wesentlich verbessert, das anstelle des gefährlichen Niveauüberganges über die Eisenbahn vor Kirchditmold eine neue Überführungsbrücke gebaut wurde. Da nun diese Brücke der Berlin-Reise der beiden Kirchditmolder Herren zu verdanken war, nannte sie der Volksmund zunächst scherzweise „Berliner Brücke“. Die Bezeichnung wurde aber nach und nach üblich, und später gab auch die Stadt Kassel dem freien Platz, den sie vor dieser Brücke anlegte, den Namen „Berliner Platz„.
Onkel Bräsig sagt: „Dem Ein’n sin Uhl is dem Anneren sin Nachtigall“, und das trifft auch hier zu. Für die Entwicklung von Harleshausen wäre es jedenfalls vorteilhaft gewesen, wenn die ursprüngliche Planung der Straße unverändert geblieben wäre, so daß wir schon damals eine schöne, direkte Verbindungsstraße nach dem Westen von Kassel unter Umgehung der bergigen Ortslage von Kirchditmold erhalten hätten, während für das ehemalige Dorf Kirchditmold die Änderung des Planes von großem Werte war.
** geschrieben und zusammengestellt von Per Busch, veröffentlicht im Juni 2019 **