Blauer See und Umgebung

Der Blaue See am Hang des Hühnerbergs im Hohen Habichtswald entstand durch Basaltabbau. Gespeist wird er vom einem kleinen Bächlein und Rinnsalen. Sein Name wird auf den blauen Basalt zurückgeführt, der dort gebrochen wurde. Von dort stammen auch die Steine, die für den ersten Straßenbau in Harleshausen und den Nachbargemeinden benutzt wurden. Die Aufschüttungen und Hügel ringsum zeigen die Spuren des Basalt-Tagebaus der dort von dem 1870er Jahren bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts hinein betrieben wurde.

Der See entstand 1923 nach einem Wassereinbruch. Er wurde zu einem beliebten Ausflugsziel und lockte in den späten 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts im Sommer so viele Badegäste an, dass der Kyffhäuserbund, der das Gelände damals gepachtet hatte, eine Baracke erbauen ließ, in der es Erfrischungsgetränke gab und Familien Kaffee kochen konnten.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg zogen die Kasseler im Sommer gern zum Blauen See hinaus. Er war als „Luft- und Schwimmbad“ bekannt und wurde von 1950 bis 1959 sogar als Badeanstalt Im Kasseler Adressbuch verzeichnet. Ein Bademeister sorgte damals für Aufsicht und betrieb eine kleine Bewirtschaftung. Es gab auch einen Badesteg. Auf dessen Fundamentrest kann man heutzutage gut am Ufer sitzen, wenn der Wasserstand nicht zu hoch ist. Sonst ist Nichts geblieben. Heute ist der Zugang zum See überwiegend mit Gestrüpp verwachsen und die kleinen Lichtungen rundum sind verholzt. Der Wald erobert sich den Ort zurück.

Quellen: D’r Osse und Dirk Schwarze

„Vesthe Baumgarte“

Das Folgende ist eine Mischung aus Fakten und Spekulation:

Auf der Karte des Landmessers Rudolphi von 1694, der ältesten Karte von Harleshausen, befinden sich in diesem Gebiet an der schon im Mittelalter existierenden „Westfälischen Straße“, der heutigen Alten Wolfhager Straße, 22 Eigentumsparzellen verschiedener Eigentümer mitten im ansonsten „herrschaftlichen Habichtswald“. Die Karte weist in ihrem Zentrum eine Parzelle auf, die ohne Eigentümerangabe auf einen „Baumgarten“ hinweist. Diese Anhäufung von Parzellen um ein kleines Zentrum herum deutet auf eine mögliche Siedlung hin, wenn auch bis jetzt wegen der starken Störung durch den Bergbau der letzten Jahrhunderte keine archäologischen Fundergebnisse nachweisbar sind. Jedenfalls gehörte das Gebiet Baumgarten nicht zum herrschaftlichen Habichtswald, wie die Karte von 1694 zweifelsfrei nachweist.

Die Flurbezeichnung im diesem Bereich hieß einst „Vesthe Baumgarte“. Genau wie an der Stelle des heutzutage 80 m tiefen Steinbruchlochs am Bühl einst ein 60 m hoher Basaltkegel emporragte, existierte an der Stelle des heutigen Blauen Sees vor dem Basaltabbau vielleicht ebenfalls eine hohe Basaltkuppe, die als befestigter westlicher Außenposten des Kasseler Beckens gut zu verteidigen gewesen wäre und einen hervorragenden Ausblick geboten hätte. Das Gebiet dürfte aufgrund der jahrhundertelangen Hutenutzung früher wesentlich lichter bewaldet gewesen sein als heute. Auf der Basaltkuppe könnte es vielleicht eine kleine, mit steinernem Unterbau und hölzernem Aufbau versehene umwallte „Vesthe“ (Festung) gegeben haben. Vielleicht entstand diese als Warte an der mittelalterlichen Straße, die über das Waldekkische ins Westfälische führte.

Die Künstler-Nekropole

1992 wurden die ersten zwei Grabmonumente der Künstler-Nekropole auf dem Gelände rund um den See installiert. Eigentlich sollten bis 2012 jedes Jahr zwei weitere Skulpturen hinzukommen, aber zu wenige Künstler von „documenta-Rang“ waren bislang anscheinend dazu bereit, sich dort nach ihrem Tod tatsächlich bestatten zu lassen. Aktuell gibt es 12 Installationen. 4 Künstler wurden in einer Urne beigesetzt, eine davon in der Form eines goldenen Hasen, bei einem weiteren machte die Familie einen Rückzieher.

2012 wurde das mit Braille beschriftete und einer antiken Wasseruhr ähnelnden Monument CIRCUITUS des noch lebendigen Gunter Demmig errichtet, der für seine in ganz Europa verlegten Stolpersteine bekannt ist, die an die Opfer des NS-Regimes erinnern. Dann wurde es für längere Zeit ruhig um das Projekt der bei der Stadt Kassel angesiedelten Künstlernekropolen-Stiftung. Das änderte sich 2021 mit der Errichtung der begehbaren Kuppel von Gernot Minke und der Aufstellung einer Gedenksäule für Manfred Schneckenburger. 2022 kam dann noch der „Gang“ mit der auf einem Seil über den Zugang zum Blauen See balancierenden Figur von E. R. Nele hinzu. Mehr über die Wiederbelebung des Nekropolenprojekts in diesem HNA-Artikel.

Anmerkung: Ein ausführlicher Text über die Künstler*innen-Nekropole und die einzelnen Werke ist in Arbeit. Bis dahin empfehle ich diesen Artikel des Journalisten Dirk Schwarze von 2014, die Erklärungen des Audio-Guides der cdw Stiftung (SMA), die Nekropolenseite des Sepulkralmuseums und den TAZ-Artikel „Grabstein des Anstoßes“ von 1992.

Die weitere Umgebung

  • Die 16 denkmalgeschützten Hütten des Luftbad Waldwiese befinden sich direkt oberhalb des Nekropolengeländes. Dort gibt es auch ein Schwimmbassin für Ganzkörperanwendungen nach den Vorstellungen der Naturheil- und Reformbewegung. Manch ältere Harleshäuser erzählen mit glänzenden Augen von den nackten Menschen, die sie hier in ihrer Kinder- und Jugendzeit wohl öfters gesehen haben.
  • Direkt am westlichen Zugang zum Blauen See befindet sich ein Privatgrundstück mit einem komplett aus Bruchsteinen erbauten Haus, das früher von den Steinbruchmitarbeitern genutzt wurde.
  • Der berühmte und von vielen Menschen geschätzte Mosthof befand sich 100 Meter weiter westlich (bis circa 1993). Hier trafen 1963 die ersten Waschbären Kassels ein und wurden herzlich bewirtet. Kein Wunder, dass sie geblieben sind.
  • Den Abschluß dieser Aneinanderreihung von Parzellen bildet das Quellgebiet des Geilebachs, begrenz von der Alten Wolfhager Straße. Vor circa 100 Jahren ließ der damalige Bürgermeister Wilhelm Führer auf dem Grundstück zwei Fischteiche anlegen und das Gelände einzäunen. Seit kurzem gehört das Grundstück 2 Vereinen, die es nach Klärung der Verkehrssicherung für alle barrierefrei zugänglich und erlebbar machen wollen.

Aus dem Text über den Brunnen an der alten Wolfhager Straße:
Karl Bippig: „Als wir das Jahr 1906 schrieben, wurde zwischen dem Karpfenteich des ehemaligen Altbürgermeisters Wilhelm Führer und der Alten Wolfhager Straße am Straßenrand eine Trinkwasserstelle errichtet. […] Von Führers Teich läßt sich berichten, daß er früher auch Karpfenteich hieß; Wilhelm Führer hatte einst hier Karpfen ausgesetzt und an ihnen Jahre hindurch seine Freude gehabt. Aber auch damals gab es schon Menschen, die sich in ihrer Zerstörungswut wohlfühlten. Sie ließen das Wasser des Teiches ablaufen und bereiteten den Karpfen ein qualvolles Ende.“

Friedrich Fleging über eine Erinnerung an 1917: „Dann ging es an der Villa von Rechtsanwalt Rocholl vorbei in den Wald, danach wieder in eine Senke, und wir waren an Bürgermeisters Teich. Weiter links, also westlich, entspringt der Geilebach. Um den Bach hindurchzulassen, hatte man schon in alten Zeiten ein Brückchen gebaut, über die die Straße führte. An dieser Stelle nun hatte der Bürgermeister Führer einen Teich bauen lassen, und natürlich war der eingezäunt.“

Aus Wilhelm Führers Aufzeichnungen von 1941

„Der Pflastermeister Strohmeyer aus Waldau kaufte in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts über der alten Wolfhager Straße einige Waldwiesen von zusammen rund 4 Hektar Größe von den Harleshäuser Besitzern und betrieb darauf einen Basaltsteinbruch. Während in dem nicht weit davon entfernten Steinbruch Erlenloch und im Bühl bei Weimar der Basalt in fünfkantigen Säulen vorkam, fand man in dem Strohmeyerschen Bruch besonders wertvolles Material in Platten, das sich nicht nur zur Herstellung von Pflastersteinen und Kleinschlag, sondern auch für Randsteine eignete. Strohmeyer betrieb den Bruch mehrere Jahrzehnte lang mit gutem Erfolg.

Da er aber nicht von unten her gegen den Berg vorgedrungen war, sondern oben eine tiefe Grube ausgehoben hatte, wurden die Arbeiten durch den Wasserzufluss aus dem umliegenden Gelände sehr erschwert. Außerdem war die Materialabfuhr schwierig geworden, weil die alte Wolfhager Straße nicht mehr als Landstraße in Stand gehalten wurde. Strohmeyer stellte deshalb den Betrieb ein und verkaufte den Grundbesitz an den Juden Emanuel Sauer in Kassel und dieser bot mir, als ich Bürgermeister war, das Grundstück zum Kauf an.

Da ich annahm, daß sich in dem rund 40000 Quadratmeter großem Gebiet Quellen finden würden, die für unsere Wasserleitung nutzbar gemacht werden könnten, kaufte ich das Grundstück im Jahre 1910 und zwar für mich persönlich. Ich ließ dann mit einer Motorpumpe das Wasser aus der tiefen Steinbruchsgrube, die jetzt „Blauer See“ genannt wird, herauspumpen, fand aber keine Quellen.

Als dann der Ausbau der Straßen in der Gartenstadt begann, pachtete mir der Unternehmer John, den von der Baustelle nicht weit entfernt liegenden früheren Steinbruch ab und setzte ihn wieder in Betrieb. Später kaufte John das Steinbruchsgelände von mir, bis auf einen 6000 Quadratmeter großen Teil an der alten Wolfhager Straße, den ich lange Zeit als Wiese benutzt und vor einigen Jahren an den Biochemischen Verein in Kassel verpachtet habe. Nach dem frühen Tode Johns wurde der Steinbruchsbetrieb wieder eingestellt, das Grundstück ging in andere Hände über und wurde an den Kyffhäuserverband verpachtet.“

Über die Geologie und Hydrologie im Gebiet des Blauen Sees

Dr. Frank N. Schäfer wuchs in dem Bruchstein-Haus am Blauen See auf. Ihm verdanken wir 2 interessante wissenschaftliche Arbeiten über die Bodenschichten und Eisenerzgewinnung in diesem Gebiet.

  • Eine geologische Betrachtung des spätmittelalterlichen Eisenerzabbaus im nördlichen Habichtswald. PDF
  • Ein Bohrprofil aus dem Kasseler Meeressand: Auswertung von Materialproben einer Brunnenbohrung im nordöstlichen Habichtswald in der Nähe des Blauen Sees. PDF

Basaltabbau am Beispiel nahegelegener Steinbrüche

Auszug von einer Infotafel am Bühl (Text von Archäologe Dr. Thilo Warneke):

An der Stelle des heutigen Natursees Bühl erhob sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein etwa 60 m hoher Basaltkegel mit gleichem Namen. Dieser leitet sich aus dem Althochdeutschen „buhil“ für „Hügel, Anhöhe“ ab.

Nach ersten Abbauversuchen in 1843 begann 1896 die industrielle Basaltgewinnung. Dazu verpachtete die Gemeindeverwaltung das Gelände an eine Firma, die außerdem die Basaltsteinbrüche Erlenloch und Brandkopf im Habichtswald betrieb.

Das höherwertige Gestein, das in schräg verlaufenden Säulen anstand, wurde von Arbeitern vor Ort verarbeitet. Auf dem Gelände des heutigen Sportplatzes saßen bis zu 60 Steinrichter in dreiseitigen Holzhütten, um mit dem Hammer den Basalt zu Pflastersteinen zu schlagen. Das minderwertige Gestein wurde in Brechern zu Basaltschotter und Grus zerkleinert. Bis zum Ende des Abbaus 1916 förderten und verarbeiteten zeitweilig 130 bis 150 Arbeiter, darunter viele Österreicher und Italiener, das Gestein.

Der Brecher, die Seilbahn und die Förderbahn, die nach dem Abbau des Kegels den nun tiefer liegenden Basalt nach oben holte, wurden mit Strom angetrieben. Diesen erzeugten drei Dampfmaschinen vor Ort. Bis zum Bau der Eisenbahnlinie 1897 zwischen Wolfhagen und Kassel transportierten Fuhrwerke Pflastersteine und Schotter nach Kassel. Später brachte eine sogenannte Bremsbahn das Material zum Bahnhof nach Weimar.

Obwohl ein Gutachten von der Wiederaufnahme des Abbaus abriet, verpachtete die Gemeinde den Steinbruch 1924 an ein regionales Unternehmen. Nach einer Sprengung an der Grubensohle kam es 1925 zum Einbruch von Ton-, Sand- und Wassermassen. Der Betrieb musste daraufhin eingestellt und die Anlagen abgebaut werden. Der etwa 80 m tiefe Steinbruch füllte sich rasch mit Untergrund- und Niederschlagswasser. Ab den 1950er Jahren gestaltete die Gemeinde den Außenbereich zur heutigen Freizeitanlage um. Vom einstigen Basaltabbau ist nur noch ein Mauerrest erhalten.

Infotafel am Silbersee (Eco-Pfade.De):

Der Basaltabbau in dieser Gegend begann 1880, als der Pflastermeister Franz Bauch einen Bruch am Bühl bei Weimar eröffnete. Später folgten die Brüche „Brandkopf“ und „Igelsburg“ (heute „Silbersee“).

Die Arbeiter brachen mit Hämmern und Eisenstangen mehr oder weniger große Basaltbrocken aus der Wand. War das Gestein zu hart, wurde mit Dynamit ein Teil der Wand herausgesprengt und anschließend in Handarbeit zerkleinert. Die gebrochenen Steine wurden anschließend auf Loren verladen und zur Weiterverarbeitung transportiert.

Steine minderer Qualität zerkleinerte man in Brechern zu Schotter. Den hochwertigen Basalt schlugen Steinrichter zu Pflastersteinen. Schotter und Pflastersteine fanden beim Eisenbahn- und Straßenbau Verwendung.

Später übernahm Franz Menke den Betrieb, der neben anderen Brüchen ab 1925 auch am „Höllchen“ bei Dörnberg Basalt abbaute. Sein Betrieb beschäftigte rund 250 Arbeiter aus den umliegenden Dörfern. Aufgrund schlechter Steinqualität und sinkender Nachfrage schloss Menke 1936 den Bruch „Igelsburg“, dem 1943 der Bruch „Höllchen“ folgte.

Beide Abbaulöcher füllten sich rasch mit Grund- und Quellwasser und entwickelten sich zu den beliebten Naturbadeseen Silbersee und Höllchen.

** zusammengestellt von Per Busch, zuerst veröffentlicht im Juni 2019, seitdem gelegentlich überarbeitet **