Karl Bippig (1910 bis 1993)

„Seine große Liebe gehörte der Natur. In punkto Natur zeigte er vielen Bürgern, wo es langgeht.“

Karl Bippig, 1910 geboren und in dem Dörfchen Harleshausen aufgewachsen, unterrichtete ab 1932 als Lehrer an der Bürgerschule Harleshausen. Von 1964 bis 1973 leitete er die Schule als Konrektor. Sein pädagogisches Wirken war eng mit der Förderung des Sport- und Naturkundeunterrichts verbunden.

In den 30er Jahren setzte er sich erfolgreich dafür ein, daß viele prächtige Bäume im Habichtswald unter Naturschutz gestellt wurden, so auch die über 500 Jahre alten Eichen in der Nähe des Blindenpfades. . Dieses Stück Wald von der Rasenallee zum Erlenloch hin war Hutewald und offen, kein dichter Wald wie heute. Die großen alten Bäume boten dem Vieh Schutz vor dem Wetter. Dank Bippigs Engagement vor über 80 Jahren stehen viele von ihnen auch heute noch dort.

Eine bleibende Erinnerung hat sich Karl Bippig auch dadurch geschaffen, daß er sich intensiv für einen Wanderweg entlang der Rasenallee von Harleshausen nach Wilhelmshöhe eingesetzt hat, als der Kraftfahrzeugverkehr derart zunahm, daß die Spaziergänger nicht mehr ungefährdet die Rasenallee benutzen konnten. Dieser Weg trägt bei Eingeweihten heute den Namen „Karl-Bippig-Weg. Seine anderen ehrenamtlichen Aktivitäten konzentrierten sich auf das Thema Natur und Heimat. Er engagierte sich sehr für dem Gartenbau und war in diesem Bereich in verschiedensten Funktionen tätig.

Außerdem war er über 30 Jahre lang im Bürgerverein Harleshausen aktiv. Er setzte sich für Anliegen des Vereins bei den Behörden ein und gehörte zum festen Kern der Redaktion des „Ossen“, dem Mitteilungsblatt des Bürgervereins. Für diese Publikation schrieb er zahlreiche Aufsätze und Gedichte über seine Heimat, mit der er sich sehr verbunden fühlte. Dabei bezog er gelegentlich auch kritisch Stellung zu den Veränderungen der Landschaft durch den Menschen.

Im Vordergrund seiner Betrachtungen stand meist die Tradition seiner Heimat. „Mit einem Bein in der Tradition-aber stets fasziniert sein von modernen Einflüssen“, so schilderte er einmal seine Grundeinstellung. „Traditionen lassen sich dann gut verkaufen, wenn sie gefällig sind und ankommen. Traditionen aufzustöbern, niederzuschreiben und rüberzubringen ist mühsam und für den Laien schwer verständlich. Traditionen haben Wurzeln.“

Bippigs Sinn war aber nicht nur auf das Vergangene gerichtet, von dem er viel zu berichten wußte, sondern er sah auch das Schöne und Nützliche in der Natur. Ihn zeichnete die Ad und Weise aus, wie er versuchte, dies den Bürgern von Harleshausen nahezubringen. Viele von ihnen kannten beispielsweise seine frühmorgendlichen Vogelstimmenführungen und seine Lichtbildvorträge, manche auch eher gezwungenermaßen. Seine ehemaligen Schüler, die heute selber zur älteren Generation gehören, können sich noch gut an ihn erinnern. „Das war so ein resolut wirkender Mann, der aber sehr nett war. Englisch hat er unterrichtet… Einmal hatte ich im Winter den Bus verpasst und bin zur Schule gelaufen. Da lag sehr viel Schnee. Fast eine halbe Stunde kam ich zu spät und dachte, es gibt ein wortgewaltiges Donnerwetter. Aber nein, er fing an, zu erzählen, unter welchen schwierigen Umständen er in seiner Jugend in harten Wintern seine Wege zu erledigen hatte. Er war sehr wortgewaltig aber mit sehr viel Herz.“

1995 wurde im alten Ortskern von Harleshausen, im Fettloch, dort wo Geilebachweg und Hirtenweg sich treffen, ein kleiner Platz nach dem 1993 verstorbenen Idealisten und Heimatdichter benannt.
(Quellen: Ossenhefte 119 und 127)

Auszug aus „Dank an meine Gratulanten“ (Karl Bippig , Osse, 1990)

Der achtzigste Geburtstag muß wohl doch ein ganz besonderer Tag im Leben des Menschen sein. Nicht zu zählen waren die Anrufe über 3 Tage hinaus, von nah und fern wollte man das Geburtstagskind mit den besten Glückwünschen erfreuen! Der Briefträger brachte weit über 100 Briefe — oft mit den schönsten Sonderbriefmarken geziert.

Die 65 Gäste im Sonnenhang hatten sich passende Geschenke ausgedacht: da gab es für den alten Schulmeister die herrlichsten Bücher verschiedenen Inhalts; der ehemalige Gast-wirtssohnkann seinen Keller mit alkoholischen und alkoholfreien Getränken auffüllen, an denen er noch lange Zeit zu trinken haben wird; der Gadenfreund wurde mit der feinsten Auswahl an Blumen beglückt — Blumen, Blumen, nichts als Blumen, ich komme mir vor, als ginge ich im Wilhelmshöher Gewächshaus spazieren; die Rasenallee 32 gleicht zur Zeit einem Blumenhaus.

Ja – und dann wurden noch einige Reden gehalten; ich glaube, die Redner spendeten mehr Lob als angebracht.
Euer dankbarer Karl Bippig

Ekkehart Bippigs Erinnerungen an seinen Vater und das „Jägerhaus“

„Familien können Kaffee kochen“

Kassels „Urwald“ in Gefahr

Unter diesem Titel veröffentlichte der zweiundzwanzigjährige Karl Bippig 1932 in der Kasseler Post einen eindringlichen Aufruf zum Schutze der Natur, dem wir die folgende Schilderung über das Schutzgebiet an der Rasenallee entnehmen:

So stehen wir nun mitten im Kasseler Urwald, im Schutzgebiet an der Rasenallee. Urwald! Stimmt das? Ja, und wenn die Fläche noch so klein ist, sie verdient die Bezeichnung. An Größe kann dies Gebiet dem Urwald im Reinhardswald natürlich nicht gleichkommen, aber das schadet auch nichts.

Fragen wir uns zunächst, wo wir diesen Waldbestand vorfinden? Wir gehen die Rasenallee oberhalb Harleshausen in Richtung Wilhelmstal entlang. Vom Gasthaus „Zum Jägerhaus“ haben wir noch 500 Meter zu gehen und wir sind am Ziel (Kilometerstein 5,9). Rechts der Rasenallee steht das Kropfsche Blockhaus, von hohen Tannen umgeben; links ist „Distrikt 36″ der Oberförsterei Kirchditmold. Im Distrikt 36 besitzen wir einen Naturschutzpark, der einen ansprechenden Bestand von alten, knorrigen Eichen und Buchen aufweist.

Haben wir uns zirka 30 Meter auf dem Waldweg von der Rasenallee entfernt, so stoßen wir auf die “ Dicke Eiche“. Dieser Baum ist das prächtigste Exemplar des schönen Bestandes. Sechs Personen haben Mühe, ihn zu umfassen. In einer Höhe von 2½ Meter gabelt sich der Stamm in zwei mächtige Äste, so dass wir den Baum mit „Zwillingseiche“ bezeichnen möchten. Wir freuen uns der Schönheit dieser alten ausgewachsenen Eiche, dieser reckenhaften Schöpfung Gottes. Wenn auch ein Teil des Stammes hohl ist, so erscheint er trotzdem in seinem bunten Herbstkleid gesund und kernig. Von sachverständiger Seite wird dieser Riese auf ungefähr 600 Jahre geschätzt. Ein gutes Stück deutscher Geschichte liegt hinter ihm.

Auch die anderen Eichen verdienen beachtet zu werden. Die eine zeigt eine schön gewachsene Baumkrone, die andere ist reich an starker Verästelung, eine dritte weiß durch ihre urwüchsige Unregelmäßigkeit zu gefallen. So stehen sie alle dicht beisammen, als wollten sie sich vor den nahenden Gefahren gemeinsam schützen; eine stattliche Familie. Dieser kleine Wald ist besonders wegen seiner alten Eichen geschützt worden. und diejenigen, die den Urwald einmal genauer kennen gelernt haben, werden vollstes Verständnis für diese Maßnahme haben. Man fühlt sich in eine ganz andere Zeit versetzt, wenn man dieses Naturschutzgebiet durchstreift.

Man würde es vielleicht ganz in Ordnung finden, wenn einige der Tierarten, die einst unsere heimatlichen Wälder belebten, hier noch wohnten, wenn Auerochs und Wiesent, wenn Wildkatze und Luchs, wenn Wolf und Bär neben Hirsch und Reh, Wildschwein und Fuchs, Marder und Wiesel hier noch vorkämen. Beim Anblick der zahlreichen Moosarten, der hohen Farn- und Erlendickichte wird man unwillkürlich auf irgendwelche besonderen Ereignisse warten. Ein gutes Stück Romantik steckt in diesem Wald. Und welche malerischen Schönheiten sind in ihm enthalten! Wie manches Bild heimischer Maler verdankt dem Urwald seine Entstehung! Diese knorrigen Riesenbäume müssen Einbildungskraft und Schöpferkraft in gleichem Maße anregen. Leider besteht bei dem Naturfreund im Augenblick größtes Bedenken für das weitere Fortbestehen dieser seltenen Naturschönheit dicht bei Kassel.

Quelle: D’r Osse, Heft 12, 1966

Eine Auswahl von Karl Bippigs Artikeln für den Ossen

Der Baumbestand an der Rasenallee (1966)
Menschen verändern die Landschaft, z.B. Rasenallee (1967)
25 Jahre Süßmosthof am Blauen See(1974)
Aus alter Zeit: Alte Steinbrüche(1975/1976)
Die ehemalige Harleshäuser Sandgrube (1976)
Als die Pappeln an der Rasenallee gefällt wurden, Bericht von 1950 (Neuveröffentlichung 1977)
Keine Umbenennung der Rasenallee (1977)
Rasenallee bliebt Rasenallee (1977)
Fußgängerbrücke an der Rasenallee(1978)
Rasenallee bleibt Rasenallee (1979)
zur Verkehrssituation an der Rasenallee (1979)
Autofahrer/Fußgänger in Gefahr an Rasenallee (1979)
Einst und jetzt: Zur Rasenallee (1980)
Einst und jetzt: Rodelstrecken (1980)
‚Unsere Ehemaligen Eisteiche (1981)
Erlebnisse mit den Waschbären (1981)
Bitte für die Blinden in der Eschebergstraße (1981)
Gedicht „Geöffnete Herzen“ (1981)
Losholz- und Leseholz-Berechtigung (1982)
Eine kleine Begebenheit: Glückliche Kinder (1982)
Vorschlag für einen heimatkundlichen ‚Kurz-Spaziergang (1982)
Text zum Wasserbehälter (1983)
Text zu Rasenallee (1983)
Heimatkundliche Streiflichter: Wege zum Habichtswald (1983)
Betrachtung: Am Roten Pfahl bei der Kreuzung im Wald (1984)
Erlebnisse am Erlenloch (1984)
Eichen erzählen von ihrer Vergangenheit (1984)
Heimatkundliche Streiflichter: Sterbende Baumriesen (1985)
Baumbestand an Rasenallee (1986)
Harleshäuser Waldwiesen als Viehhute (1986)
Pflanz einen Baum (1986)
Zum Urwald an der Rasenallee (1986)
Die Puppe von der Kaiserin im Gasthaus Ahnatal (1987)
Zerfallener Brunnen am Führerteich (1988)
Zum achtzigsten Geburtstag des Vegetariers Adolf Zeilinger vom Mosthof (1980)
Bildbetrachtung zu einer Luftaufnahme von 1935 (1988)
Bemerkungen zum Erlenloch (1989)
Begegnungen im Urwald (1989)
Heimatkundliche Streiflichter: Holzeinschlag (1990)
Der Letzte aus alter Zeit (1991)
Text zu Jägerhaus Rasenallee (1992)
Nachruf: Adolf Zeilinger (1992)
Der Brunnen in der Alten Wolfhager läuft wieder (1992)
Wenn alle Brünnlein fließen… Einweihung (1993)
Gedicht zur Brunneneinweihung (sein letztes Gedicht, 1993)
Unsere ehemaligen Reitwege (1995 veröffentlicht)

** geschrieben und zusammengestellt von Per Busch, veröffentlicht im Juni 2019 **