Der Brunnen an der Alten Wolfhager Straße

Inschrift: „Wasserwerk Harleshausen — 1906 — Trinkwasser“.

Viele Wanderer, die den 1906 errichteten Brunnen im Quellgebiet des Geilebachs an der Alten Wolfhager Straße noch aus Kindheits- und Jugendtagen kannten und sich oft an dem kühlen klaren Wasser erfrischt hatten, bedauerten seinen langsamen Verfall in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Wasser lief nicht mehr, die beschriftete Steintafel verschwand und weitere Zerstörung der aufgemauerten Steine setzte den Zerfall fort. Den Rest besorgte die Natur; die Brunnenreste wurden überwuchert von Pflanzen, Gras und Moos, so daß schließlich kaum noch etwas an die ehemalige Trinkwasserstelle erinnerte. Manch alte Harleshäuser erinnerten sich aber weiterhin, besonders Karl Bippig, der so viel von der Harleshäuser Geschichte erzählen konnte. Seine nachstehenden Ausführungen waren unter anderem auch der Anlaß für den Bürgerverein Kassel-Harleshausen, über einen Wiederaufbau des historischen Brunnens nachzudenken.

Erinnerungen von Karl Bippig (1910 – 1993)

Zusammengestellt aus seinen Artikeln in den Ossenheften 97 und 102 (1988, 1990):

Als wir das Jahr 1906 schrieben, wurde zwischen dem Karpfenteich des ehemaligen Altbürgermeisters Wilhelm Führer und der Alten Wolfhager Straße am Straßenrand eine Trinkwasserstelle errichtet, die in den folgenden Jahrzehnten den Durst vieler Wanderfreunde stillte. Man hatte ein schönes, schattiges Plätzchen geschaffen, das an heißen Sommertagen so recht zum Verweilen einlud. Der geschmackvoll gebaute Brunnen hatte Ähnlichkeit mit jenen, die in unseren Tagen am Alten Friedhof (Vier Nationen Kinderspielplatz) und in der Grebenstraße erstellt wurden.

Den Brunnen zierte eine eingearbeitete Steinplatte, auf der zu lesen stand: „Wasserwerk Harleshausen — 1906 — Trinkwasser“. Aus dem Wasserhahn lief unaufhörlich frisches, glasklares Wasser, das köstlich schmeckte; durstige Seelen konnten sich im wahrsten Sinne des Wortes daran laben. Eine Bank, die senkrecht zum Brunnen stand, lehnte an einer Schatten spendenden Hainbuche und gab bequem vier Personen Sitzgelegenheit. Von dem Ruheplätzchen genoß man eine herrliche Aussicht entlang der Geile, in die Harleshäuser Gemarkung, über den Daspel hinüber zum Reinhardswald.

Gegenüber — entlang der Alten Wolfhager Straße — gab es damals eine große Waldwiese, durch die ein Fußweg in Richtung des Steinbruchs Erlenloch führte. Die Gaststätte gab es zu der Zeit noch nicht. Der Fußweg besteht auch heute noch, doch die Wiese wurde vor Jahren mit nordamerikanischen Fichten bepflanzt; es war eine der letzten Arbeiten des Herrn Oberförsters Bauer. Von Führers Teich läßt sich berichten, daß er früher auch Karpfenteich hieß; Wilhelm Führer hatte einst hier Karpfen ausgesetzt und an ihnen Jahre hindurch seine Freude gehabt. Aber auch damals gab es schon Menschen, die sich in ihrer Zerstörungswut wohlfühlten. Sie ließen das Wasser des Teiches ablaufen und bereiteten den Karpfen ein qualvolles Ende.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist der Brunnen mehr und mehr verfallen: das Trinkwasser läuft nicht mehr; die Steine sind herausgebrochen; die beschriftete Steinplatte lag entfernt; die Bank hat sich in Wohlgefallen aufgelöst, lediglich ein eiserner Bügel, auf dem früher die Holzlatten befestigt waren, steht noch; übriggeblieben ist nur noch die standhafte Hainbuche. Ob nur der Zahn der Zeit oder mutwillige Zerstörung am Verfall des Brunnens gewirkt haben, bleibt offen. Fest steht jedoch, daß die beschriftete Steinplatte, die herrenlos über längere Zeit circa 2 Meter vor diesem Platz herumlag, verschwunden ist. Wer mag an ihr Interesse gehabt haben?

Schade, daß es der Verwaltung vom Naturpark Habichtswald nicht geglückt ist, einer Anregung folgend, den Brunnen wieder zu restaurieren; hingegen hat sie am Silberborn im Jahre 1950 Mustergültiges geschaffen, indem sie den Brunnen erneuerte und den Platz rundum vielseitig gestaltete. Vielleicht läßt sich der Brunnen am Führerteich wieder aufbauen. Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben! An fehlendem Wasser dürfte die Verwirklichung nicht scheitern; denn Wasser gibt es in diesem ergiebigen Quellgebiet zur Genüge. Sicherlich gibt es auch freiwillige Helfer, die sich in den Dienst der guten Sache stellen. Wer ist zuständig: die Forstbehörde, die Verwaltung vom Naturpark Habichtswald? [Ende der zusammengestellten Texte von Karl Bippig]

Restaurierung des Brunnens

in den 1990er Jahren sorgte der Bürgerverein Harleshausen dafür, dass der historische Brunnen repariert und das Wasser wieder fließen konnte. Die Städtischen Werke sponserten die Anfertigung eines neuen Gedenksteins durch den Steinmetzmeister Siegner als Ersatz für die gestohlene Tafel. Es war zwar anscheinend bekannt, wer den Erinnerungsstein entwendet hatte, aber dieser war inzwischen fest in einer privaten Anlage verbaut und der neue „Besitzer“ konnte oder wollte ihn nicht mehr herausrücken.

Zu den Vorarbeiten der Restaurierung des alten Brunnens gehörte die Freilegung. Dazu musste der Pflanzenbewuchs entfernt und die schweren Natursteine abgenommen werden. Die zum Teil mächtigen Steine zu bewegen war Schwerstarbeit. Danach wurde der Brunnen wieder aufgemauert. Das schwierigste Problem war allerdings, das Wasser erneut zum Laufen zu bringen.

1993 sorgten Mitglieder und Freunde des Bürgervereins mittels eines zweitägigen, intensiven Arbeitseinsatzes für eine funktionierende Wasserzufuhr. Die 8 Freiwilligen mußten sich dabei kräftig buckeln, um die neue, 60 Meter lange Wasserleitung zum Quellschacht im unwegsamen, verwurzelten Waldboden im richtigen Niveau zu vergraben. Auch ein kleiner Bagger wurde eingesetzt. Dabei fanden sie auch die Leitung, die einst den Brunnen speiste. Ganz besonderer Dank gilt Hans Walter Jorges, seinen Söhnen und den anderen Bürgervereinsmitgliedern, die bei dieser Aktion ehrenamtlich Hand angelegt haben.

Nun sprudelte das Wasser wieder

Unter großer Beteiligung insbesondere seitens des Gartenbauvereins Harleshausen, der zum Gedenken eine Eberesche neben den Brunnen pflanzte, und des Harleshäuser Sängerchors wurde am 5.6.1993 schließlich die Wiedereinweihung des Brunnens gefeiert. Davon, daß das Wasser frisch und klar aus der Leitung kommt, konnten sich die Festteilnehmer überzeugen, als das Ventil im Quellschacht geöffnet wurde. Der Bürgerverein wies vorsorglich daraufhin, dass er nicht für die Qualität des Trinkwassers haftet.

Im Laufe der Zeit verstopfte die Leitung vom Quellschacht im Wald bis zum Auslauf am Gedenkstein an der Alten Wolfhager Straße jedoch und konnte nur mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr Harleshausen wieder frei gemacht werden. Dazu musste der Schacht zuerst leergepumpt werden. Danach wurde die Leitung vom Brunnenauslauf her unter Druck mit Wasser aus dem Tank des Feuerwehrfahrzeugs durchgespült. Am nächsten Tag plätscherte das Wasser wieder wie gewohnt. Allerdings fehlte noch der Auslaufstutzen, der schon zweimal wegen seiner schönen Gestaltung abgedreht und entwendet worden war, sodass man sich nunmehr entschloss, nur ein einfaches Rohr anzubringen.

Leider gibt es immer wieder Probleme. So verstopfte z.B. jemand das Abflussrohr unter dem Brunnenbecken mit Steinen, so dass es kaum mehr frei zu bekommen war. Auch der Wasserzufluss aus dem Quellschacht versiegte in jüngster Zeit erneut, wahrscheinlich aufgrund einer erneuten Zusetzung der Leitung. Der Bürgerverein Harleshausen findet unter seinen immer älter werdenden Mitgliedern kaum noch Personen, die sich in der Lage sehen, solche Aufgaben zu übernehmen. Deshalb werden tatkräftige Menschen gesucht, die sich bei der Instandhaltung des Brunnens ehrenamtlich engagieren möchten.
(Quellen: Ossenhefte 97, 102, 109, 111, 113, 114, 117, 118, 119, 148, 149, 150, 175, 186 und 192)

Ernsthaft „Krieg spielen“ (1917)

Hier noch eine Geschichte aus der Zeit des Ersten Weltkrieges aus den Lebenserinnerungen von Friedrich Pfleging, in der der Brunnen kurz beschrieben wird. Anmerkungen zu den heutigen Straßennamen stehen in eckigen Klammern:

Es mochte in den Sommerferien 1917 gewesen sein, da hieß es eines Tages, heute sollen sich alle Jungens in Dippels Wirtschaftsgarten treffen. Von der oberen Lindenstraße [heute die untere Hälfte der Eschebergstraße] waren es rund zwanzig „Mann.“ Die Ältesten waren dreizehn Jahre, die Jüngsten, darunter ich, etwa acht Jahre.

Peter Siebert machte sich zum Wortführer. Ich habe mir später gedacht, daß man ihn von seiner Schule aus dazu angeregt hatte. Es gab neben der allgemeinen Bedrückung im Volk noch eine vaterländische, wenn auch schwache Euphorie, die bei jedem kleinen Sieg jubelte. Aus dieser Seite kam vielleicht die Anregung, mit der männlichen Jugend „Soldaten zu spielen.“ Darauf lief das Anliegen von Peter hinaus, das er offensichtlich schon mit den älteren Jungen besprochen hatte.

Wir stellten uns schon einmal in Doppelreihe auf, und es dauerte einige Zeit, bis wir der Größe nach standen. Dann hieß es: „Richtet euch!“ Das kam schon zackig. Was dabei herauskam, war es aber nicht viel. Der langen Rede kurzer Sinn war der, es sollte „Soldaten gespielt“ werden. Übermorgen, nach Mittag sollte es losgehen. Der Peter als Unteroffizier sagte: „Es wird genauso angetreten, wie ihr jetzt steht, merkt euch eure Nebenmänner, besorgt euch ein Koppel der Riemen, einen Säbel und ein Gewehr.“ Wahrscheinlich haben etliche dumm geguckt, denn er sagte: „Natürlich hölzerne Waffen zum exerzieren.“

Dann kam der Tag, an dem die erste Übung stattfand. Nach dem Antreten und Abteilung-Marsch ging es die Trift [die heutige obere Hälfte der Eschebergstraße] hinauf. Die Großen vorn machten lange Schritte, und die Kleineren hinten verfielen in Laufschritt. Das war bestimmt nicht der preußische Stil. Als der Unteroffizier das merkte, schrie er: Ruhig gehen, eins-zwei eins-zwei.

Als wir die Rasenallee überquerten, ging es ein Stück ebenen Wegs. Das Marschieren klappte einigermaßen. Rechts lag die Sandgrube, wo ein rotbrauner Sand abgebaut wurde. Die alte Wolfhager Straße [heutige Ahnatalstraße] begrenzte die Grube. Dies war ein ganz steiles Stück unseres Weges, und der Gleichschritt war wieder dahin. Dann ging es an der Villa von Rechtsanwalt Rocholl vorbei in den Wald, danach wieder in eine Senke, und wir waren an Bürgermeisters Teich.

Weiter links, also westlich, entspringt der Geilebach. Um den Bach hindurchzulassen, hatte man schon in alten Zeiten ein Brückchen gebaut, über die die Straße führte. An dieser Stelle nun hatte der Bürgermeister Führer einen Teich bauen lassen, und natürlich war der eingezäunt.

Wenige Schritte aufwärts, links an der Straße, hatte der Bürgermeister einen Brunnen bauen lassen. Zu dem Brunnen gehörte auch eine Bank, die etwa vier Personen Platz bot und quer zur Straße stand. Der Brunnen hatte, sagen wir mal, die Form eines halben, länglichen Brotlaibes, auf die Schnittfläche gestellt. In der Mitte, sowohl in der Breite als auch in der Höhe dieser Form war ein Becken mit Auslauf gemauert. Darüber kam aus einem Rohr frisches Quellwasser, also zur Erfrischung eines jeden Vorbeikommenden.

An diesem Straßenabschnitt nun machte die Abteilung halt. Ich weiß nicht mehr genau, war da ein Hauptmann, oder begnügten sich die Vorgesetzten – die selbsternannten – mit Bezeichnungen wie Feldwebel und Unteroffizier. Östlich und nördlich der Straße dehnte sich eine riesengroße Waldwiese, man konnte den Bach abwärts über die Rasenallee hinaus bis zum Daspel sehen. In den dreißiger und vierziger Jahren wurde alles Wiesengelände aufgeforstet.

Zum „Soldatenspielen“ wurde die Gruppe von 18 „Mann“ in zwei Grüppchen geteilt, die eine ging in Richtung Erlenloch und dann rechts zu dem Jungwald, die andere trottete den Bach abwärts und links vom Bach an das Ruscheigelände. Der Auftrag war, die beiden Gruppen, die eine der anderen feind, sollten sich aufeinander zubewegen, und die stärkere die schwächere gefangennehmen. Ich weiß nicht mehr, wie der Kampf ausging, wohl aber, daß ich keine Himbeere hängen ließ, wo ich vorbei kam.

** zusammengestellt und geschrieben von Per Busch, veröffentlicht im Juni 2021 **