Wilhelm Führer schrieb 1941 in seiner Chronik von Harleshausen über den dreißigjährigen und den siebenjährigen Krieg, über einen erschlagenen Kroaten, die Pest, plündernde Würtemberger, die Schlacht bei Wilhelmstal und die Lebensgeschichte des Husaren Runki.
Der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648)
Aus der für ganz Deutschland so schrecklichen Zeit des dreißigjährigen Krieges ist uns von Harleshausen wenig Geschichtliches bekannt. Auch aus den Kirchenbuche von Kirchditmold, das mit 1624 anfängt, ist über die damaligen Verhältnisse in unserem Dorfe wenig zu erfahren. Interessant ist nur, daß die Familiennamen, welche damals von Harleshausen in das Kirchenbuch eingetragen wurden, heute noch fast alle hier vertreten sind. Es gab damals schon: Klapp, Vogel, Schweinebraten, Schuwirth, Hofmeister, Lingelbach, Müller, Wimmel, Kersten, Dippel, Marschall, Appel, Deichmann, Homburg, Reihs, Wiegand usw..
Das einzige Ereignis aus damaliger Zeit, das im Kirchenbuch steht, und wobei auch Harleshausen erwähnt wird, ist, daß am 26. Mai 1626 die bayrische Armee unsere Dörfer überfallen hat, und daß dabei 4 Mann aus Kirchditmold und Martin Landgrebe aus Harleshausen mörderisch umgebracht worden sind. Wenn nun auch über die sonstigen Leiden, die unserem Orte in diesem schrecklichen Kriege widerfahren sind, keine Aufzeichnungen vorliegen, so müssen wir doch wohl annehmen, daß auch hier sengen und brennen, rauben, morden und plündern, wie überall in Deutschland, an der Tagesordnung waren, besonders in der Zeit, wo die wilden Pappenheimschen Scharen hier durchzogen und später, als der schwedische General Bauer mit seinen Söldlingen hier hauste.
Krieg in der Region
In der Geschichte des oberen Warmetales von F. Hufschmidt ist eingehend dargestellt, welche Leiden das damals schon befestigte Städtchen Zierenberg in den langen Jahren des Krieges zu erdulden hatte, und wir müssen daraus schließen, daß es auch unserem Orte nicht viel besser erging. Als Beispiel sei hier folgende Stelle der Hufschmidt’schen Geschichte angeführt:
„Am Gründonnerstag 1637 begann das Kreuz- und Marterjahr Hessens, von welchem in den Chroniken der Städte entsetzliche Nachrichten niedergeschrieben sind. Die kaiserlichen Truppen operierten gegen den schwedischen General Bauer und kamen dabei der hessischen Nordgrenze sehr nahe. Im Monat Mai stand der General Wahl mit seinen Kroaten in der Nähe der Diemel. Da auf schwedische Hilfe nicht zu rechnen war, traten Wolfhagen und Zierenberg mit Wahl in Unterhandlungen und erhielten gegen Bewilligung einer bestimmten jährlichen Kriegssteuer die Zusicherung eines ausreichenden Schutzes. Schon wenige Tage nachher aber traf von Wahl ein drohendes Schreiben ein, in welchem er die Zahlung einer doppelt so hohen Steuer verlangte. Die Städte mussten wohl oder übel nachgeben. Kaum aber waren sechs Wochen ins Land gegangen, da drang von Libenau her Wahl mit seinen Kroaten in unsere Stadt. Der Oberst Beigott fügte der Stadt und den Ländereien unersetzlichen Schaden zu und seine grausamen Kroaten verübten Schandtaten, die man nicht näher beschreiben kann. Innerhalb kurzer Zeit musste Zierenberg 9800 Thaler aufbringen und die Bürger verloren außerdem noch 66 Kühe und 120 Pferde.“
Ein erschlagener Kroate
Das die Kroaten auch hier in Harleshausen ihr Wesen getrieben haben, besagt eine Geschichte aus damaliger Zeit, die ich folgendermaßen erzählen hörte:
„Der Besitzer des Bauernhofes im Hirtenweg – der abgebrannt ist und zuletzt R. Schaumburg gehörte -, kam in der Zeit, als die Kroaten hier hausten, eines Tages von Felde nach Hause. Als er den Hof betrat, hörte er im Hause schreien und Hilfe rufen und erkannte an den Stimmen, daß da drinnen ein Kroate seine Frau vergewaltigen wollte. Schnell holte er eine schwere Axt herbei, eilte in das Zimmer und erschlug den völlig überraschten Kroaten. Nun aber war guter Rat teuer, denn die Bauersleute wussten wohl, was ihnen bevorstand, wenn die Kroaten von dieser Tat etwas erfuhren. Sie schleppten den toten Kroaten in den Keller und versteckten ihn dort, so gut es ging. In der Nacht, als draußen alles dunkel und ruhig war, holten sie den Leichnam wieder hervor, steckten ihn in einen großen Sack und fuhren damit durch den Wald zur Firnskuppe. Dort warfen sie ihn in den tiefen Schacht und erreichten damit, daß die im Dorfe hausenden Kroaten nicht erfuhren, wo ihr Kamerad geblieben war.
Die Pest
Die Pest, oder richtig bezeichnet, die asiatische Beulenpest, die im Jahre 1153 zuerst in Deutschland aufgetreten war, und seitdem wiederholt in Kassel und Umgebung gehaust hatte, wütete zuletzt und am schlimmsten während des dreißigjährigen Krieges in den Jahren 1635 bis 1637. Nach mündlicher Überlieferung sollen damals in Harleshausen in einem Monat 18 Personen an der Pest gestorben sein, obwohl der Ort nur einige Hundert Einwohner hatte. In der Festung Kassel aber, wo so viele vor den wilden Kriegshorden Schutz suchten, und wo natürlich Überfüllung, Mangel und ungesunde Verhältnisse herschten, sollen in wenigen Monaten 1400 Menschenleben der Seuche zum Opfer gefallen sein. Ende 1637 hatte Hessen ein Viertel seiner Einwohner verloren; aber nach dem dreißigjährigem Kriege war unserem Orte, wie dem ganzen Hessenlande, eine lange Zeit friedlicher Entwicklung beschieden. Der Pfarrer Georg Heinrich Bröske zu Kirchditmold hat uns im Kirchenbuche mitgeteilt, daß in den Jahren 1704 bis 1750 in seinem Kirchspiel 930 Kinder mehr geboren worden sind, als Einwohner starben.
Der siebenjährige Krieg (1756 bis 1763)
Mit dem Ausbruch des siebenjährigen Krieges im Jahre 1756 begann für unser Hessenland eine schwere Zeit und besonders unsere Kasseler Gegend wurde von den Kriegsereignissen hart betroffen, Die Stadt Kassel, welche damals noch Festung war, wurde viermal von den Franzosen besetzt und zwar in Juli 1757, am 23, Juni 1758, am 11. Juni 1759 und am 31. Juli 1760. Zweimal wurde die von Franzosen besetzte Stadt von deutschen Truppen belagert (März 1761 und September/Oktober 1762). In der Nähe der Stadt wurden zwei große Schlachten geschlagen, die eine bei Lutterberg und Landwehrhagen am 10. Oktober 1758 und die andere bei Wilhelmstal am 24. Juni 1762. Außerdem fanden noch zahlreiche Gefechte und Scharmützel in unserer Gegend statt, wovon das Gefecht bei Sandershausen am 23. Juli 1758 das bedeutendste war. Kampf und Kriegsgeschrei war in der ganzen Zeit, besonders aber in den Jahren 1758 bis 1763 die Losung.
Eine Einquartierung löste die andere ab, bald waren es Freunde, bald Feinde, die sich hier einlogierten und natürlich alles aufzehrten. Nach den Angaben des Pfarrer Cuntze von Kirchditmold sollen von allen Truppen, die hier verkehrten, die feindlichen Franzosen noch am anständigsten gewesen sein. „Nichts als für Geld“ war der Wahlspruch, der von den französischen Offizieren ausgegeben wurde; wenn ihn die Untergebenen auch nicht befolgten; denn Cuntze erzählt uns, daß seine ganze Einnahme in den fünf Hauptkriegsjahren einmal ein Batzen, einmal ein Kreutzer und einmal ½ Gulden gewesen sei, obwohl er fast seine ganze Habe und seinen großen Viehbestand eingebüßt hatte.
Plündernde Würtemberger
Von dem selben Pfarrer erfahren wir weiter, daß von den Würtembergern, die zur Armee des Generals Soubise gehörten und bei Niederzwehren lagerten, eines Tages in August etwa 200 Mann verkleidet, mit dicken Knüppeln in den Händen in das Dorf Kirchditmold stürmten und alles, was sie an Vieh auf der Straße und in den Ställen fanden, totschlugen und mitnahmen. Der Pfarrer rief einen Würtemberger Offizier zu Hilfe, der zufällig in Dorfe anwesend war. Als dieser dem Treiben Einhalt gebot, waren bereits 80 Schweine, 60 Gänse und 45 Hühner totgeschlagen. In seiner derben Ausdrucksweise sagt Cuntze dann wörtlich weiter: „Auch den Harleshäusern haben die guten Würtemberger 300 Schweine gefressen.“ (Chronik v.H, B, & Ev.L.)
Die Schlacht bei Wilhelmstal
Unsere Vorfahren sind gewiss in der damaligen Zeit aus der Angst und dem Schrecken gar nicht herausgekommen, und oft mögen auch Kanonenkugeln in unser Dorf eingeschlagen sein, denn man findet noch die massiven runden Geschosse aus damaliger Zeit in der Erde. Eine solche Kugel, die bei Ausschachtungen neben dem Hause Kronenstraße 15 gefunden wurde, ist im Gasthause „Zur Krone“ an der Gastzimmerwand auf einer Konsole angebracht. Sie stammt wahrscheinlich aus der Schlacht bei Wilhelmstal (24.6.1762). Die Franzosen hatten sich nach dieser Niederlage in dieser Schlacht nach Kassel zurückgezogen und beschossen mit ihren Kanonen vom Kratzenberg und der Ochsenallee aus die nachrückenden Truppen, die unter dem Kommando des Herzogs Ferdinand von Braunschweig vom Osterberge aus das Feuer erwiderten.
Der Husar Runki
Eine Harleshäuser Geschichte aus den siebenjährigen Kriege hat der Pfarrer Schirmer von Kirchditmold im Hessischen amtlichen Kalender von 1881 erzählt, und sie wurde später auch noch in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht. Ihr Inhalt ist kurz folgender:
„Major Nikolaus von Luckner, der Stammvater des im Kriege berühmt gewordenen Schiffskommandanten Felix von Luckner, war unter Friedrich dem Großen mit der Aufstellung eines Husarenregiments betraut worden, und die Lucknerschen Husaren wurden wegen ihrer tollkühnen Streiche bald in ganz Deutschland bekannt. Im Jahre 1758 war ein Teil dieses Regiments in Harleshausen einquartiert, und als Major von Luckner eines Tages vom Waldrande am Daspel aus die vor ihn liegende Gegend mit einen Fernglase nach feindlichen Truppen absuchte, wurde er von einer feindlichen Patrouille, die sich durch den Wald herangeschlichen hatte, überrumpelt und als Gefangener mitgenommen.
Wachtmeister Runki, der treue Waffengefährte Luckners, hatte den Überfall aus der Ferne bemerkt, er sprengte mit einigen Husaren der feindlichen Patrouille nach und es gelang, den Major zu befreien; aber Wachtmeister Runki wurde bei dem Scharmützel schwer verwundet. Seine Kameraden brachten ihn in das Haus des Greben (Bürgermeisters), Asmuth Klapp, dessen Bauernhof an der Obervellmarschen Straße unter der Bezeichnung „An der Geile“ allgemein bekannt ist. Die alten Harleshäuser nennen das Haus noch heute „Altegrebenhaus“ im Gegensatz zum „Grebenhaus“ in der Kronenstraße Nr. 11. Da das Regiment weiterziehen mußte, verblieb Runki im Hause des Greben und der herbeigerufene Arzt Dr. Döring aus Kassel übernahm die Behandlung seiner Verwundung.
Runki war in Wien geboren, sein Vater war ein Italiener aus Mailand und hieß eigentlich Rongi. Die Mutter war eine Wienerin. Als Martin Runki geboren wurde, hatten seine Eltern ein Geschäft in Wien. Bei einem Einbruch in dieses Geschäft wurde der Vater von den Einbrechern getötet und die Mutter hatte sich bald darauf in ihrer großen Not mit den beiden Kindern in die Donau gestürzt. Die Mutter und ihr Töchterchen waren ertrunken, aber Martin war gerettet worden. Ein ungetreuer Vormund hatte ihn um sein Vermögen betrogen und er war als junger Mensch mittellos in die Fremde gegangen.
Viel Schweres hatte er erfahren, ehe er in das Husarenreginent von Luckner eintrat, und auch während seiner Dienstzeit in diesen Regiment hatte er schon manchen schweren Kampf erlebt, so daß er viel erzählen konnte. Das offene Wesen, die Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit gewannen ihm alle Herzen. Auch Sabylle, das einzige Töchterlein des Greben Klapp wurde von diesen Zauber beeinflusst, und es entspann sich ein Liebesverhältnis zwischen den beiden jungen Menschen.
Pfarrer Gantze und Oberförster Böttcher von Kirchditmold kamen öfters in das Grebenhaus, um den Verwundeten zu besuchen. Im Gespräch mit diesen beiden Männern lernte Runki als Katholik die Grundsätze der evangelischen Religion kennen und eines Tages erklärte er dem Pfarrer, daß er evangelisch werden wollte. Oberförster Böttcher hatte den Wachtmeister besonders ins Herz geschlossen und auf die Fürsprache dieses Ehrenmannes hin erteilten die Eltern Sabylles ihre Einwilligung zur Heirat. Am dritten Weihnachtstag 1758 wurde die Hochzeit gefeiert. Die Trauung fand in der alten Kapelle auf dem Kirchhofe statt. Auch Major von Luckner war zu der Feier erschienen und hatte seinem treuen Waffengefährten die Beförderung zum Leutnant mitgebracht.
Der junge Ehemann, der sich nicht mehr Runki sondern Runk nannte, trat dann wieder in sein Regiment ein und kämpfte bis zum Ende des Krieges 1763 tapfer mit, er wurde beim Friedensschluß als Kapitän (Rittmeister) entlassen und übernahm mit seiner Ehefrau den Hof „An der Geile“. Runk hat hier bis zu seinem Tode im Jahre 1784 in Ruhe und Frieden gelebt und gewirkt.
Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Der älteste Sohn ging zum Militär, der zweite heiratete in einen Bauernhof in Wolfsanger ein und die Tochter Karoline Runk übernahm mit ihrem Ehemann Andreas Führer, dem Stammvater unserer Familie Führer, den Hof „An der Geile“.
** 2019 digitalisiert, zusammengestellt von Per Busch **